Stalinisierung der Sowjetunion

Die Entstehung des Stalinismus

Der hundertste Jahrestag der russischen Revolution im kommenden Jahr wird zweifellos ein beherrschendes Thema geschichtspolitischer Debatten werden. Dabei wird sicher im Vordergrund die Frage nach dem Zusammenhang von Oktoberrevolution und stalinistischer Diktatur stehen. War, nach dem Bürgerkrieg und der Stabilisierung des Landes ab 1921 im Zeichen der Neuen Ökonomischen Politik, die sich ab Ende der zwanziger Jahre festigende terroristische Herrschaft Stalins von vornherein in der Revolution angelegt? War sie die logische und damit unvermeidbare Konsequenz der „krimogenen Idee“ des Gleichheitsversprechens der Revolution, wie seinerzeit Stéphane Courtois, der Herausgeber des „Schwarzbuch über den Kommunismus“ argumentierte? Doch warum gipfelte diese Herrschaft in der physischen Ausrottung der „alten bolschewistischen Garde“, also der Träger der Revolution von 1917, von der die berüchtigten Schauprozesse 1936 bis 1938 nur die öffentliche Inszenierung der Spitze des Eisbergs, des Archipel Gulags, war? Und was hat dies alles mit Sozialismus zu tun?

Wie sich konkret die Herausbildung der stalinistischen Diktatur vollzog, wie der Zusammenhang von sozioökonomischen Bedingungen, politischen Strukturen und zufälligen Faktoren war, soll umrissen werden. Zudem vollzog sich die Machtübernahme Stalins in der bolschewistischen Partei nicht in einem luftleeren Raum. Aus der bolschewistischen Herrschaft, gestützt auf die Räte (Sowjets) hatte sich die Macht einer gewaltigen Partei- und Staatsbürokratie entwickelt. Es gab zudem auch die äußeren Zwänge, denen sich die Sowjetunion gegenüber sah, in den Niederlagen der internationalen Arbeiterbewegung, die von Stalin in die „Theorie des Sozialismus in einem Lande“ gewendet wurde, woraus auch eine entsprechende Außenpolitik erfolgte, während 1917 das Selbstverständnis der Bolschewiki davon geprägt gewesen war, dass Russland alleine viel zu rückständig war, um eine sozialistische Gesellschaft zu entwickeln, sondern dafür die Zusammenarbeit mit der siegreichen Revolution in Westeuropa brauchen würde.

Referent: Reiner Tosstorff

12.12.16, 19 Uhr, Café KoZ, Mertonstraße 26

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